Vor Floridas Paradise Coast erstrecken sich über 10.000 smaragdgrüne Trauminseln, unberührt und naturbelassen. Hier erlebt man einen Sonnenaufgang, wie man ihn auf der Welt wohl kein zweites Mal findet – warm, duftend und kristallklar brechen die ersten Strahlen des Tages durch die Mangrovenwälder. Welcher Ort könnte sich für einen Angelurlaub besser eignen als dieser?
Mit fast überwältigender Vorfreude klettere ich an Bord des Sportfischer-Turnierboots von Kapitän Bill Faulkner. Ich kann es kaum erwarten, auf die Jagd zu gehen: Mithilfe einer besonders spannenden Angeltechnik – dem „top water plugging“ oder Oberflächenangeln – hoffen wir den unter Anglern begehrtesten Küstenfisch der Welt, Snook (Hechtmakrele) zu fangen. Bill Faulkner navigiert uns mit künstlerischer Präzision durch die engen Kanäle und Untiefen des Mangroven-Labyrinths – kein Wunder, bei seinen 30 Jahren Erfahrung auf diesen Gewässern.
Nachdem wir die üppige Vegetation der Mangroven hinter uns gelassen haben, präsentiert sich vor uns die unendliche Weite der Florida Bay und ich fühle mich wie ein aufgeregtes Kind vor den Toren eines Freizeitparks. Endlich bestimmt Faulkner unsere erste Station und drosselt die Geschwindigkeit. Der Motor wird leiser, und der Kapitän reicht mir eine Angel, die mit einem Oberflächenköder und einem sogenannten „Walk-the-dog“-Köderlauf versehen ist. Bei dieser Technik wird die Angel wie eine Hundeleine geführt. Faulkners Turnierpartner und renommierter Everglades-Reiseführer Kapitän Kevin Miahiloff erklärt mir, dass viele Oberflächenköder ihren Zweck erfüllen, solange sie nur ultra-robust und ihre Haken extrem scharf sind.
Unser Ziel sind die Mündungen der unzähligen Bäche und Flüsschen, die in die Bucht fließen. Faulkner erklärt: „Im Sommer und Herbst kommen die Snooks von den Everglades hier her, um nach Köderfischen zu jagen, die der sinkende Meeresspiegel hergetrieben hat.“
Wir halten in einer Bachmündung mit einem Sandstrand, an dem ich meine Angel-Auswerf-Künste üben darf, bevor wir unsere finale Angelstelle zwischen den Bäumen ansteuern. „Und wann darf ich Fische fangen?“, frage ich Faulkner voller Ungeduld.
„Nur Geduld!“ Seine Worte sind kaum ausgesprochen, da beginnt das Wasser um meinen tanzenden Oberflächenköder zu schäumen. Ich ziehe mit voller Kraft die Angel zurück und ducke mich instinktiv, als der Köder mir auch schon um die Ohren saust. Mit halb unterdrücktem Kichern erklärt mir Faulkner, dass Snooks den Köder mit einer solchen Aggressivität angreifen, dass sie häufig den Haken verfehlen. Ich lerne, dass der Köder solange „ausgeführt“ werden muss, bis man das Gewicht des Fisches daran spüren kann. Wenn die Fische den Haken beim ersten Mal verfehlen, probieren sie es in der Regel ein zweites und auch ein drittes Mal.
Nach einigen weiteren Versuchen zappelt der erste Snook des Tages wütend an meiner Angel – ein wunderschöner sieben Pfund schwerer Fisch, der mit seiner Geschwindigkeit und Flankenkraft aussieht, als würde er für den Cirque de Soleil vorturnen wollen. Ich ziehe den Fisch ans Boot heran und Faulkner befreit ihn vorsichtig von den Haken.
Knapp 100 Meter flussaufwärts entdeckt Faulkner einen toten Baumstumpf, dessen Äste weit über das Wasser ragen. Wir fahren auf das verschlungene Geäst zu und Faulkner zeigt auf die Äste, um die sich Strudel und Kielwasserströmungen bilden.
„Hier leben die richtig dicken Fische“, freut sich Faulkner und wirft seine Angel stromaufwärts aus. Der zitternde und tanzende Oberflächenköder treibt wenige Zentimeter von hängenden Ästen entfernt und verschwindet sogleich mit einem tosenden „Popp“ in einer rauschend emporschießenden Wasserfontäne.
„Genau deshalb sind wir hergekommen“, sagt Faulkner, während er schnaufend und schnaubend mit dem errungenen Fisch kämpft und versucht, das zappelnde Ungestüm davon abzuhalten, die Angelschnur am Geäst entlang des Ufers zu zerreißen. 9-Kilo-Haupt- und 27-Kilo-Schlagschnur werden aufs Äußerste strapaziert, als der Fisch auf die Wasseroberfläche drescht und versucht, in den Schutz der Bäume zu entfliehen. Faulkner hält seine Angel tief, um die Schnur nicht an den überhängenden Ästen zu verhaken. Er stellt seine turniererprobten Künste zur Schau, und langsam aber sicher gibt der Snook seinen Kampf auf. Innerhalb weniger Minuten aalt sich ein silberner Schimmer neben dem Boot – ein 15 Pfund schweres Prachtexemplar. Doch lange nicht der größte Fisch, den wir an diesem Tag zu sehen bekommen werden...